Die Marktwirtschaft frisst ihre Kinder

Dass die Marktwirtschaft denen nichts bringt, die keine Arbeitskraft anbieten können oder deren Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird, ist ja nichts Neues. Für Erwerbsunfähige und Arbeitslose kann man nur durch Umverteilung aus der Marktwirtschaft eine mehr oder minder soziale Marktwirtschaft machen.

In letzter Zeit beschleicht mich aber das Gefühl, dass die Marktwirtschaft auch für Händler und Verbraucher nicht mehr richtig funktioniert. So habe ich zum Beispiel vor kurzem erfahren, dass mein Lieblingssupermarkt "Globus", in dem ich mich mit praktisch allen Gütern des täglichen Bedarfs versorge, nun bald seine Pforten schließt. Und dies, obwohl er immer gut besucht war. Das ist für mich ein herber Verlust an Lebensqualität, denn dieser Laden hat ein einzigartiges Sortiment, das so kein anderer Supermarkt in der Umgebung bietet. Ich weiß beispielsweise noch nicht, wo ich in Zukunft mein Honigbrot kaufen kann, dass mir morgens als fettarmes und unkompliziertes Frühstück dient.

Damit scheint sich ein Trend zu bestätigen, den ich schon seit längerem beobachte: Geschäfte mit einem großen Sortiment und/oder einer guten Fachberatung können sich auf Dauer nicht halten. (Die Schwierigkeiten der großen Kaufhausketten sind ein weiteres Steinchen in diesem Mosaik.) Und dies deckt sich bei näherer Betrachtung sogar perfekt mit den Theorien der Volkswirtschaftslehre: Nach denen kommen Nachfrage und Angebot nämlich nur dann zusammen, wenn keine externen Effekte wirken. Dies sind Einflüsse von außen, die die Voraussetzungen einer möglichen Geschäftstransaktion verändern.
Der Aufstieg der Discounter und Online-Versandanbieter stellt aber exakt einen solchen externen Effekt auf den Einzelhandel mit breitem Sortiment und/oder guter Fachberatung dar: Es kann nämlich niemand den Konsumenten verbieten, sich im Fachgeschäft ausgiebig beraten zu lassen, dort zu einer Entscheidung für ein Produkt zu gelangen und dann doch aus dem Laden zu laufen und das Produkt schließlich beim Discounter oder beim Online-Versender zu kaufen. Genauso wie niemand es ihnen verbieten kann, Standardlebensmittel (weil dort billiger) beim Lebensmitteldiscounter und nur noch spezielle Waren (wie eben Honigkuchen) im klassischen Supermarkt zu kaufen.

Dadurch wird das Anbieten einer Fachberatung oder eines breiten Warensortiments aber unrentabel: Den Kosten, die für Fachpersonal und Lagerhaltung anfallen, stehen keine entsprechenden Einnahmen mehr gegenüber, da ein zu großer Teil dieser Einnahmen von den Discountern abgeschöpft wird. Die Folge: Das Fachgeschäft, das Kaufhaus und der alte Supermarkt sterben aus. (Somit sind für die oft beklagte große Pleitewelle vor allem die Gesetze des Marktes verantwortlich.) Und die Auswahl für die Verbraucher wird selbst bei gleichbleibender Nachfrage immer kleiner.

Für mich bedeutet das konkret: Meiner Nachfrage nach Honigkuchen steht kein Angebot mehr gegenüber.

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