Todesstrafe

Dass die in den USA praktizierte Todesstrafe gegen sämtliche Prinzipien der ja gerade von Konservativen immer wieder gerne beschworenen westlichen Wertegemeinschaft verstößt, lässt sich ganz einfach nachweisen. Dafür muss man gar nicht darüber diskutieren, ob in den Todeszellen auch Unschuldige sitzen oder ob die Angehörigen von Minderheiten und sozial Benachteiligten unter den zum Tode Verurteilten überrepräsentiert sind. (Was sicher beides zutrifft.)

Nein, man muss lediglich eine andere Bestrafungsmöglichkeit in Betracht ziehen, die zwar kaum noch irgendwo praktiziert wird, aber als so etwas wie eine Vorstufe zur Todesstrafe betrachtet werden könnte: Die Zwangsamputation. Jeder hat schon einmal davon gehört, dass in einigen streng-islamischen Ländern Dieben eine Hand abgehackt werden kann. Da das Abhacken eines Körperteils aber in der Tat sehr blutig und oft mit Folgekomplikationen wie Infektionen verbunden ist, ist man selbst in solchen Ländern meist zu Zwangsamputationen übergangen: Ähnlich wie in den USA die zum Tode Verurteilten in einer Art "OP-Saal" mit medizinischem Know-How und Personal ganz unblutig und sauber zu Tode gespritzt werden (weil der oberste Gerichtshof besonders grausame Strafen ja verboten hat und diese Art der Tötung angeblich irgendwie humaner ist), so wurden und werden in einigen islamisch geprägten Ländern Straftätern in einer zwangsweise vollstreckten Operation medizinisch korrekt einzelne Gliedmaßen amputiert.

Das Seltsame ist nun, dass selbst in den USA solche staatlich veranlassten Zwangsamputationen als barbarisch und vorzivilisatorisch gelten würden. Nur: Wie kann dann die Todesstrafe, bei der der Staat einem Delinquenten zu einem vorher angekündigten Zeitpunkt und unter den Augen der Öffentlichkeit sämtliche Lebensfunktionen (und nicht nur die einzelner Körperteile) zerstört, als irgendwie mit der Zivilisation vereinbar gelten?

Das ist ein ganz klarer Widerspruch und insgeheim wissen auch die Repräsentanten der US-Justiz das: Denn wenn diese die Todesstrafe tatsächlich für eine moralisch einwandfreie Sache hielten, bräuchten sie deren Vollstreckung nicht so peinlichst vor der Öffentlichkeit verstecken. Sie könnten eine Hinrichtung ebenso filmen und übertragen lassen wie der Alltag in Gefängnissen journalistisch dokumentiert wird. (Wer für die Todesstrafe mit der schon widerlegten Abschreckungswirkung argumentiert, müsste sogar gegen jede nicht öffentlich übertragene Exekution sein.) Ebenso könnte man die an den Hinrichtungen beteiligten Vollstrecker einschließlich der Henker-Ärzte an die Öffentlichkeit treten und von ihren Erfahrungen berichten lassen. Das dies nicht der Fall ist, zeigt, dass auch die US-Justiz die ganze barbarische Dimension der Todesstrafe als ihr schmutziges Geheimnis betrachtet, dass man vor der Öffentlichkeit bewahren muss, um ihr den Appetit auf staatlich organisiertes Töten nicht zu nehmen. Denn dann wiederum wären deren Vertreter der Möglichkeit beraubt, auf einfache Weise "Härte" beweisen und sich damit für öffentliche Mandate empfehlen zu können. Wie auch Governator Schwarzenegger diese Woche bewiesen hat: Für ein paar Wahlstimmen gehen manche Menschen ohne Skrupel über Leichen.

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