Ruhe in Frieden Stabipakt

Die Beerdigung des Stabilitätspaktes hat wieder zahlreiche Kommentatoren auf den Plan gerufen, die über die vermeintlichen Lasten wehklagten, welche die Staatschulden unseren Enkeln angeblich aufbürden. Der Mythos, das Staatsschulden irgendetwas mit künftigen Generationen zu tun haben, ist ebenso falsch wie unausrottbar, siehe meinen früheren Blog-Eintrag zu diesem Thema. Dabei müsste einem schon die reine Logik sagen, dass der Staat sich nichts bei Menschen leihen kann, die noch nicht geboren sind.

(Und wie üblich wurde wieder unter den Teppich gekehrt, dass es bei einem Bundeshaushalt nicht nur eine Ausgaben-, sondern auch eine Einnahmenseite gibt, an der man eventuell auch etwas tun könnte, um die Bilanz zu verbessern.)

Auch unser Bundespräsident hat ja in seiner jüngsten Rede wieder die Legende verbreitet, dass wir Deutschen uns angeblich gern etwas schenken lassen und in dieser Hinsicht nun einmal endlich umlernen müssten. Fragt sich nur, von wem wir angeblich beschenkt worden sind, so als wären die Steuerzahler in Deutschland nicht immer selbst für die Sozialsysteme aufgekommen.

Die einzige verlässliche Kennziffer dafür, ob eine Volkswirtschaft über oder unter ihren Verhältnissen lebt, ist aber die Leistungsbilanz. Und die ist für Deutschland nach wie vor positiv, d.h. in Deutschland wird mehr erwirtschaftet als konsumiert. Der Überschuss geht sozusagen auf Kredit ins Ausland, wobei nicht klar ist, ob dieser Kredit jemals zurückgezahlt werden kann. (Gerade bei den USA mit ihren beängstigenden Doppeldefiziten.)

Was alle Kommentatoren übersehen haben: Die Beerdigung des völlig sinnfreien Stabilitätspaktes trägt auch zu einer Abwertung des Außenwertes des Euro bei, und nichts könnte beim derzeitigen globalen Wettbewerbsdruck willkommener sein. Insofern war dies sogar ein absolut genialer Schachzug der EU-Kommission. Ich frage mich sogar, ob dies nicht der eigentliche Sinn und Zweck der Veranstaltung war.
creature - 23. Mär, 22:49

so ist es wirklich, leider ist diese sicht der situation selten zu hören oder zu lesen...

beberlei - 26. Mär, 00:32

es ist absolut nicht sicher, ob der euro zusammenbricht nur weil sich die länder pro factum über einige zeiträume nicht mehr an den stabilitätspakt halten müssen. der druck auf die währung kann sich zwar erhöhen, wenn die staatsschulden ins unermässliche steigen, aber die staaten werden das sicherlich verhindern wollen, denn es ist nicht scheiss egal, wie hoch die schuldenlast auf einem staat liegt.

das problem sind nämlich die zinsen. wer immer zinsen zahlen und zahlen und zahlen muss, hat irgendwann so ein großes problem mit den schulden, dass er kredite nur für die zinsen aufnehmen muss und ich will mal sehen, wie man dann noch die sozialsysteme finanzieren soll. klar sind die schulden auch nur eine verteilungsfrage. aber was für eine verteilungsfrage bitte? wer kann sich staatsanleihen leisten und wer profitiert davon? nur wenige von den leuten, die es nachher nötig haben. die verteilungsmaße von staatsanleihen ist äußerst fragwürdig und man sollte lieber darauf verzichten das m gr0ßen stil anzufangen. schulden aufnehmen ist im grunde genommen total unnötig, den die zu zahlenden zinsen sind immer lasten die niemandem was bringen. geringe schulden sind immer ok, besonders weil staaten so groß sind und es sich als gute schuldner leisten können, aber im endeffekt kann man es auch einfach sein lassen.

wenn man sich mal überlegt, wie sich die entwicklung der verschuldung von staaten in den letzten jahrzehnten entwickelt hat kann man sich ausmalen, wie es in einigen jahrzehnten aussieht: sehr sehr schlecht. und irgendwann ists dann soweit, dass die hälfte der staatseinnahmen für tilgung draufgeht und irgendwann 3/4 und irgendwann sitzen wir da und müssen den haushalt komplett aus schulden finanzieren. was soll denn das?

in deutschland haben es die wirtschaftspolitiker immer noch nicht gerafft, dass es nicht nur schwarz oder weiss. angebot oder nachfrage gibt, sondern dass man beides fördern muss, damit es gescheit funktioniert. keynesianer sehen das schulden aufnehmen als normalität in ihr programm auf und verweisen darauf, dass ganze in besseren zeiten wieder gerade zu biegen. wacht endlich auf, es wird niemals soweit kommen, dass in besseren zeiten schulden im großen maße getilgt werden.

und angebotsfreaks denken immer nur liberal wie unser herr köhler oder stoiber. arbeitszeiten hoch, kündigungsschutz runter usw usw.

die goldene mitte wäre glaub ich mal sinnvoll.

hdressel - 26. Mär, 15:28

Normale Zeiten

Hallo Benjamin,

im Prinzip stimme ich Dir vollkommen zu: Die goldene Mitte ist wirklich meist der richtige Weg und man sollte nicht ideologisch an die Dinge herangehen. Allerdings schreibst Du auch von normalen Zeiten. ("In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.") Gerade die haben wir aber seit der Wiedervereinigung nicht mehr: Die Transferleistungen von West nach Ost betragen immer noch ca. 3,5 Prozent des BIP. Die Neuverschuldung liegt jetzt seit ein paar Jahren bei ca. 3 Prozent. D.h. dass der Staat ohne die Wiedervereinigung bei gleichem Steueraufkommen sogar seit mehreren Jahren Überschüsse erzielt hätte, die er zum Schuldenabbau oder für Investitionen hätte nutzen können.

Die Situation, dass ein marktwirtschaftlicher Staat einen realsozialistischen von heute auf morgen übernimmt, wobei die industriellen Kerne des letzteren kaputt gehen mussten, dürfte ziemlich einmalig und unnormal sein. Aber natürlich konnte und kann man die Menschen, die dort jahrelang gespart und für ihre Rente gearbeitet haben, auch nicht hängen lassen.

Ich sehe es nicht so, dass Staatsschulden generell nichts bringen. Jeder gute Unternehmer macht Schulden, wenn er damit Investitionen tätigen kann, die langfristig eine höhere Rendite bringen als er an Kreditzinsen zahlt. Der Staat wäre dumm, wenn er es nicht genauso hielte, zumal er die höchste Kreditwürdigkeit und damit vergleichsweise niedrige Zinsen zu zahlen hat. Das gilt wie gesagt für Zukunftsinvestitionen. Die laufenden Kosten wie Sozialausgaben und ähnliches sollte er natürlich völlig aus dem Steueraufkommen decken können. Dazu kann er aber zwei Dinge tun: entweder die Ausgaben kürzen oder die Einnahmen verbessern. Mich wundert halt, dass trotz stagnierender Konjunktur und allgemeiner Konsumflaute zur Zeit immer nur über die erste Möglichkeit nachgedacht wird, während andererseits die Kapitaleinkünfte nur so sprudeln und z.B. Unternehmens- und Erbschaftssteueraufkommen in Prozent des BIP sowohl im internationalen Vergleich als auch auch historisch betrachtet auf sehr niedrigem Niveau liegen.
beberlei - 26. Mär, 17:05

das problem ist ja. die einnahmenseite kann man bei den unternehmen nicht sinnvoll stärken, dadurch dass es quasi lächerlich einfach ist gewinne einfach in anderen europöischen ländern anfallen zu lassen und dann nur die steuern dort zu zahlen. deswegen müssen andere einnahmen her, beispielweise die mehrwertsteuer, die aber wiederrum nur die konsumenten treffen.

schöner artikel dazu btw:
http://www.zeit.de/2005/12/Mehrwertsteuer_2fend

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