Mittwoch, 23. März 2005

Ruhe in Frieden Stabipakt

Die Beerdigung des Stabilitätspaktes hat wieder zahlreiche Kommentatoren auf den Plan gerufen, die über die vermeintlichen Lasten wehklagten, welche die Staatschulden unseren Enkeln angeblich aufbürden. Der Mythos, das Staatsschulden irgendetwas mit künftigen Generationen zu tun haben, ist ebenso falsch wie unausrottbar, siehe meinen früheren Blog-Eintrag zu diesem Thema. Dabei müsste einem schon die reine Logik sagen, dass der Staat sich nichts bei Menschen leihen kann, die noch nicht geboren sind.

(Und wie üblich wurde wieder unter den Teppich gekehrt, dass es bei einem Bundeshaushalt nicht nur eine Ausgaben-, sondern auch eine Einnahmenseite gibt, an der man eventuell auch etwas tun könnte, um die Bilanz zu verbessern.)

Auch unser Bundespräsident hat ja in seiner jüngsten Rede wieder die Legende verbreitet, dass wir Deutschen uns angeblich gern etwas schenken lassen und in dieser Hinsicht nun einmal endlich umlernen müssten. Fragt sich nur, von wem wir angeblich beschenkt worden sind, so als wären die Steuerzahler in Deutschland nicht immer selbst für die Sozialsysteme aufgekommen.

Die einzige verlässliche Kennziffer dafür, ob eine Volkswirtschaft über oder unter ihren Verhältnissen lebt, ist aber die Leistungsbilanz. Und die ist für Deutschland nach wie vor positiv, d.h. in Deutschland wird mehr erwirtschaftet als konsumiert. Der Überschuss geht sozusagen auf Kredit ins Ausland, wobei nicht klar ist, ob dieser Kredit jemals zurückgezahlt werden kann. (Gerade bei den USA mit ihren beängstigenden Doppeldefiziten.)

Was alle Kommentatoren übersehen haben: Die Beerdigung des völlig sinnfreien Stabilitätspaktes trägt auch zu einer Abwertung des Außenwertes des Euro bei, und nichts könnte beim derzeitigen globalen Wettbewerbsdruck willkommener sein. Insofern war dies sogar ein absolut genialer Schachzug der EU-Kommission. Ich frage mich sogar, ob dies nicht der eigentliche Sinn und Zweck der Veranstaltung war.

Mittwoch, 9. März 2005

Die Marktwirtschaft frisst ihre Kinder

Dass die Marktwirtschaft denen nichts bringt, die keine Arbeitskraft anbieten können oder deren Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird, ist ja nichts Neues. Für Erwerbsunfähige und Arbeitslose kann man nur durch Umverteilung aus der Marktwirtschaft eine mehr oder minder soziale Marktwirtschaft machen.

In letzter Zeit beschleicht mich aber das Gefühl, dass die Marktwirtschaft auch für Händler und Verbraucher nicht mehr richtig funktioniert. So habe ich zum Beispiel vor kurzem erfahren, dass mein Lieblingssupermarkt "Globus", in dem ich mich mit praktisch allen Gütern des täglichen Bedarfs versorge, nun bald seine Pforten schließt. Und dies, obwohl er immer gut besucht war. Das ist für mich ein herber Verlust an Lebensqualität, denn dieser Laden hat ein einzigartiges Sortiment, das so kein anderer Supermarkt in der Umgebung bietet. Ich weiß beispielsweise noch nicht, wo ich in Zukunft mein Honigbrot kaufen kann, dass mir morgens als fettarmes und unkompliziertes Frühstück dient.

Damit scheint sich ein Trend zu bestätigen, den ich schon seit längerem beobachte: Geschäfte mit einem großen Sortiment und/oder einer guten Fachberatung können sich auf Dauer nicht halten. (Die Schwierigkeiten der großen Kaufhausketten sind ein weiteres Steinchen in diesem Mosaik.) Und dies deckt sich bei näherer Betrachtung sogar perfekt mit den Theorien der Volkswirtschaftslehre: Nach denen kommen Nachfrage und Angebot nämlich nur dann zusammen, wenn keine externen Effekte wirken. Dies sind Einflüsse von außen, die die Voraussetzungen einer möglichen Geschäftstransaktion verändern.
Der Aufstieg der Discounter und Online-Versandanbieter stellt aber exakt einen solchen externen Effekt auf den Einzelhandel mit breitem Sortiment und/oder guter Fachberatung dar: Es kann nämlich niemand den Konsumenten verbieten, sich im Fachgeschäft ausgiebig beraten zu lassen, dort zu einer Entscheidung für ein Produkt zu gelangen und dann doch aus dem Laden zu laufen und das Produkt schließlich beim Discounter oder beim Online-Versender zu kaufen. Genauso wie niemand es ihnen verbieten kann, Standardlebensmittel (weil dort billiger) beim Lebensmitteldiscounter und nur noch spezielle Waren (wie eben Honigkuchen) im klassischen Supermarkt zu kaufen.

Dadurch wird das Anbieten einer Fachberatung oder eines breiten Warensortiments aber unrentabel: Den Kosten, die für Fachpersonal und Lagerhaltung anfallen, stehen keine entsprechenden Einnahmen mehr gegenüber, da ein zu großer Teil dieser Einnahmen von den Discountern abgeschöpft wird. Die Folge: Das Fachgeschäft, das Kaufhaus und der alte Supermarkt sterben aus. (Somit sind für die oft beklagte große Pleitewelle vor allem die Gesetze des Marktes verantwortlich.) Und die Auswahl für die Verbraucher wird selbst bei gleichbleibender Nachfrage immer kleiner.

Für mich bedeutet das konkret: Meiner Nachfrage nach Honigkuchen steht kein Angebot mehr gegenüber.

Samstag, 5. März 2005

Mitglied wider willen

Seit heute bin ich Mitglied im Kölner Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Das kam so: Es klingelte an meiner Wohnungstür und gegen meine sonstige Gewohnheit, erst mal leise zur Tür zu schleichen und dann vorsichtig durch den Spion zu linsen, rief ich beim Gang zur Tür: "Ich komme!" (Meiner Erinnerung nach wohl deshalb, weil ich fest damit gerechnet hatte, dass dort ein Nachbar stünde.) Ich schaute zwar auch diesmal wieder durch den Spion und erblickte einen Unbekannten in Rot-Kreuz-Uniform, aber für das Vortäuschen von Abwesenheit war es ja nun zu spät.

Nach dem Öffnen der Tür erklärte mir der Mann vom Roten Kreuz, dass er auf Mitgliederwerbung für den DRK Kreisverband Köln sei, der völlig unabhängig vom Berliner Bundesverband sei und viele lokale Hilfsprojekte einschließlich Erste-Hilfe-Seminaren und Kleiderkammer betreibe. Ich erklärte mich zur Unterstützung durch eine Einmalspende bereit (trotz der diskriminierenden DRK-Richtlinien bei der Annahme bzw. Nichtannahme von Blutspendern), da ich ja tatsächlich ein Befürworter von Hilfe auf lokaler Ebene bin. Leider durfte der Mann keine Barspenden annehmen und die von ihm mitgebrachten Formulare sahen nur eine Unterstützung durch Mitgliedschaft vor. Ich könne ja meine Spende durch einen Jahresmitgliedsbeitrag machen und vor Jahresfrist wieder kündigen. Mein Einwand, dass doch dabei unnötiger Verwaltungsaufwand entstehe (z.B. für das Ausstellen eines Mitgliedsausweises), wurde damit beschieden, dass die Verwaltung vollelektronisch laufe und dadurch die Verwaltungskosten beim DRK-Kreisverband unter 4% (oder waren es noch weniger?) lägen.

Nun gut, damit habe ich ihn für das Ausfüllen des Papierkrams hereingebeten und ihm gleich eine Tasse Kaffee angeboten, die er auch dankbar annahm. Wie er im weiteren Gespräch erläuterte, war er kein Drücker (die -wie er zugab- in der Vergangenheit auch im Auftrag des Roten Kreuzes unterwegs waren), sondern ein selbst beim DRK-Kreisverband angestellter Rettungssanitäter, der diese Mitgliederanwerbung in seiner Freizeit für eine Aufwandspauschale von 0,7 Euro pro Neumitglied betreibt. Sicher dient diese seine Freizeitbeschäftigung auch der Sicherung seines eigenen Arbeitsplatzes, was ich aber völlig legitim finde.

Nachdem ich ihn wieder verabschiedet hatte, warf ich direkt einen Blick auf die Internet-Seiten des Kölner Deutschen Roten Kreuzes und fand dort natürlich sofort eine Möglichkeit zur Einmalspende. Was soll's, nun bin ich halt gegen meinen eigentlichen Willen Vereinsmitglied mit allen damit verbundenen Mitbestimmungsrechten. Vielleicht kann ich ja sogar Einfluss auf die Richtlinien bei der Annahme von Blutspendern nehmen.

Sonntag, 20. Februar 2005

Wachstum ohne Grenzen?

Nach Meinung auch der meisten Wirtschaftswissenschaftler kann es einen Erhalt oder eine Neuschaffung von Arbeitsplätzen im Privatsektor nur bei einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum geben. (Und selbst dann ist es nicht garantiert, wie man in jüngster Zeit in vielen entwickelten Volkswirtschaften beobachten kann, wo oft die Produktvität schneller steigt als die Wirtschaft wächst, so dass kein Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften entsteht.)
Da frage ich mich folgendes: Wie kann eine bereits entwickelte Volkswirtschaft eigentlich immer weiter wachsen? Sicher nicht in den Sektoren, die die Güter des täglichen Bedarfs bereitstellen, wie Nahrung und Kleidung. Man kann nur eine begrenzte Menge an Nahrung am Tag zu sich nehmen und bei der Kleidung ist auch mal irgendwann Schluss, da man ohnehin nie mehr als ein Paar Schuhe, eine Hose, ein Hemd und einen Mantel gleichzeitig trägt. Ebenso benötigt man nie mehr als eine Waschmaschine, einen Herd, einen Kühlschrank usw. Der technische Fortschritt sorgt außerdem dafür, dass solche Güter eher länger als früher halten. Bei der Unterhaltungselektronik und der Kommunikationstechnik gibt es noch immer wieder Neuerungen, die Neuanschaffungen interessant machen, aber auch da wird die Fortschrittskurve mal abflachen. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass Otto Normalbürger mittelfristig ein Palais bewohnen und einen eigenen Fuhrpark unterhalten wird. Bliebe noch der Sektor Gesundheit und Wellness, der mit zunehmend älter werdender Bevölkerung sicher noch eine gewisse Zeit lang zu den Wachstumsmärkten gehören wird. Und dann?

Wenn aber entwickelte Volkswirtschaften vielleicht doch nicht immer weiter wachsen können und dann die Arbeitslosigkeit aufgrund von Produktivitätsfortschritten noch weiter zunehmen wird, was heißt das für eine soziale Marktwirtschaft? Stellt sich dann nicht die Frage der Verteilungsgerechtigkeit ganz neu? Denn das Leben in der Gesellschaft würde zu einer Art Lotterie werden, in der einige das große Los ziehen und von ihren Kapitaleinkünften leben könnten, andere ihren Unterhalt immerhin noch von Erwerbsarbeit bestreiten könnten, aber ein ganz erheblicher Teil der Menschen notwendigerweise leer ausginge. Und zwar trotz größten Einsatzes und größter Leistungsbereitschaft. Wie könnte es dann weitergehen? Sicher ist nur eines: Bei einer solchen Entwicklung wäre ein Zurückfahren der Umverteilung, wie sie im Moment durch Hartz IV und Senkung der Spitzensteuersätze praktiziert wird, ein Sprengsatz für die soziale Stabilität. Es wäre vielmehr wieder ein Mehr an Umverteilung notwendig. Dabei wäre es nicht einmal erforderlich, dass man Menschen ohne Arbeit direkt alimentiert, was sie zum einen in ihrem sozialen Selbstwertgefühl beschädigt und zum anderen immer wieder den (unberechtigten) Neid der Arbeitenden hervorruft. Besser wäre stattdessen, den öffentlichen Sektor wieder zu stärken und in ihm neue sinnvolle Arbeitsplätze, ob nun als Lehrer/in, Schwimmmeister/in oder Bibliothekar/in, entstehen zu lassen.
In den entwickelten Ländern werden die Länder mit einem starken öffentlichen Sektor wohl in Zukunft auch die mit der geringsten Arbeitslosigkeit sein.

Sonntag, 13. Februar 2005

Juwel im Fernseheinerlei

Die gestrige Folge von "Bella Block" bot wieder alles, was man sich von einem Fernsehkrimi wüscht: Eine glaubhafte Story, Spannung über den Ausgang des Falles, geistvolle Dialoge gut gezeichneter Charaktere und auch noch Schauspielkunst in Vollendung. (Wie von Hannelore Hoger sowieso nie anders zu erwarten aber auch von den anderen Darstellern geboten.) Darüberhinaus auch noch Denkanstöße zum Themenbereich Opfer-/Täterschaft und Selbstjustiz.

Schön, dass gerade das ZDF sich damit dem Trend widersetzt, samstags abends nur noch Massenware niedriger Qualität zu senden. (Obwohl es ja ansonsten eher für seine zahlreichen seichten Heile-Welt-Produktionen bekannt ist.) Bei einer Krimiserie wie dieser weiß ich auf jeden Fall wieder, wofür ich Fernsehgebühren zahle.
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